Israel Shamir

The Fighting Optimist

BIS ZU EINEM GEWISSEN PUNKT

(Up to a point)

(Ein Appell an die UNESCO Konferenz, die die Tatsachen im Juni 2001 richtig stellen wollte)

Evelyn Waugh hat in ihrem Roman The Scoop die Medienwelt gut beschrieben. Obwohl die Handlung des Buches sich hauptsächlich in Afrika entfaltet, findet die entscheidende Szene im Büro des Besitzers des Daily Beast, Lord Copper, in der Fleet Street statt. Der Medienbaron frägt seinen ausländischen Redakteur von Zeit zu Zeit: Ist Yokohama die Hauptstadt Japans? Gehört uns Hong Kong? Der Redakteur hat zwei „sichere“ Antworten. Wenn Lord Copper recht hat, dann sagt er „Eindeutig, Lord Copper“. Wenn er unrecht hat, dann sagt er „Bis zu einem gewissen Punkt, Lord Copper“. Das ist die Spanne, von eindeutig bis hin zu bis zu einem gewissen Punkt, die genehmigten Grenzen der Mainstream Medien. Wir Journalisten sind abhängige Geschöpfe. Wir wären gerne ehrlich und aufrichtig, doch wir müssen an unseren Lebensunterhalt und unsere Berufung denken. Wenn wir die Grenzen überschreiten, die von den Medienbesitzern gezogen wurden, dann müssten wir uns nach einer ganz anderen Beschäftigung umsehen.

Da wir gerade von Palästina sprechen, die Grenzen der erlaubten Berichterstattung sind so schmal gezeichnet wie die Taille von Zuleika Dobson. Ich würde sagen sie fallen mit den Grenzen der internen jüdisch-israelischen Berichterstattung zusammen und gehen von Meretz bis Scharon. Im Südafrika vor Mandela war die Situation ähnlich, die Grenzen der weissen Mainstream Berichterstattung gingen von nationalistisch bis progressiv , die ANC nicht eingeschlossen. Meiner Meinung nach ist diese Haltung ausgrenzend, ja sogar rassistisch. Sie basiert darauf, die jüdische Vorherrschaft in Palästina aufrechtzuerhalten. Sie bietet den Einwohnern vor Ort keine Gleichheit oder sichere Zukunft. Doch mehr als das darf man nicht sagen. Man kann sich für die Schaffung von palästinensischen Reservaten aussprechen, damit liegt man in der Linie der „liberalen“ Israelis oder man kann Massenvertreibung und ethnische Säuberung unterstützen, dann wird man Hardliner oder Falke [hawk?] genannt. Die sind die festgelegten Grenzen des Diskurses. Derjenige, der diese Grenzen überschreitet und sich für die Gleichheit von Juden und Nichtjuden im Heiligen Land ausspricht, befindet sich im Niemandsland. Er wird zum Schweigen gebracht, villeicht sogar für immer.

Ich weiss das aus erster Hand. Ich lebe in Jaffa, einer Stadt mit gemischter Bevölkerung. Hier leben Palästinenser, Marokkaner, israelische Aschkenaze Juden und Russen und wir alle leben ziemlich harmonisch zusammen. Doch viele Menschen, die in Jaffa geboren sind leben heute in Flüchtlingslagern und dürfen nicht zurückkommen und das nur wegen ihrer Religion oder Volkszugehörigkeit. Ich finde es moralisch inakzeptabel, dass ein Jude aus New York, Paris oder Novosibirsk, wie ich einer bin, einfach hierher kommen und sich in Jaffa niederlassen kann, während ein Einheimischer, der in Jaffa geboren ist, nicht nach Hause kommen darf. Ich setzte mich ein für die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge und verlor sofort meinen Job beiHaaretz – und das ist die liberalste israelische Zeitung.

Die Berichterstattung über Palästina in den Medien ist ein spezieller Fall und das aus einem bestimmten Grund. Wir benutzen einen besonderen Wortschatz für die lokale Berichterstattung. Wenn ich zum Beispiel Ahmad umbringe, dann würde berichtet, dass „Ahmad von einem Israeli umgebracht wurde“. Doch falls, Gott bewahre, Ahmad mich umbrächte, dann würden Sie lesen, dass „ein Jude getötet wurde“.

Das ist unsere Version von Dr. Jekyll und Mr. Hyde: ein Israeli kann zwar töten, doch wenn ein Israeli getötet wird, dann verwandelt er sich in einen Juden. Es ist absolut untersagt, von jüdischen Greueltaten und Morden zu sprechen. Juden sind die ewigen Opfer. Oft scheint es, dass in Palästina drei Nationen leben: die Juden, die Israelis und die Palästinenser. Israelis können Verbrechen begehen, doch es werden unschuldige -immer nur unschuldige – Juden getötet. Wenn Sie diese zwei Begriffe verwechseln und einen Mörder als „Juden“ bezeichnen, dann wird man Sie einen Antisemiten nennen und Sie verlieren wahrscheinlich Ihren Arbeitsplatz.

Dabei sollte es nicht so schwierig sein, über unsere Geschichte zu berichten, es ist sicher einfacher, als über andere Teile der Welt, die uns Sorgen bereiten, zu berichten. Das nationale Selbstbestimmungsrecht, Autonomie oder Unabhängigkeit sind nicht leicht zu erreichen, wie man am Beispiel Korsikas sehen kann. In Palästina geht es um einfacheres: es geht nicht um nationale Selbstbestimmung, sondern um die grundlegenden Menschenrechte. Kosovo? Im Kosovo wurden Albaner von den Serben diskriminiert und gequält, doch sie hatten formal das Wahlrecht und die jugoslawische Regierung hat ihnen nie die Staatsbürgerschaft aberkannt. Sie waren zwar Bürger zweiter Klasse, doch immer noch Bürger. Die Kurden in der Türkei? Auch die dürfen wählen gehen.

Die Berichterstattung über Palästina sollte einfacher sein, aber sie ist es nicht. Ein Journalist kann über Probleme am Rande berichten, wie zum Beispiel über die jüdischen Siedler jenseits der Grünen Linie. Doch die grundlegende Machtstruktur der jüdischen Dominanz in Palästina darf nicht in Frage gestellt werden. Wir dürfen nicht darüber berichten, dass die Palästinenser kein Wahlrecht haben, kein Recht auf die freie Wahl des Wohnsitzes in ihrem Land und kein Recht, in ihr Zuhause zurückzukehren im einzigen Land, dass sie je kannten.

Meiner Meinung nach ist die Quelle für die Verzerrung der Berichterstattung der Medien über Palästina sehr wichtig, da sie Bände spricht über die Machtstruktur in den USA und Europa. So erfahren wir mehr über die obskure Welt der Medienbarone. Und es versteht sich von selbst, dass etablierten Journalisten nicht viel Spielraum bleibt. Sie sind einfach zu beschäftigt damit „eindeutig“ zu schreiben.

Der Grund dafür ist offensichtlich. Zu viele unserer Medienbarone, über den gesamten Globus verteilt, verschreiben sich der jüdischen Vorherrschaft. In England ist da zum Beispiel Conrad Black: er besitzt viele Zeitungen in Canada, den USA und in Israel. In unserem Land besitzt er die Zeitung The Jerusalam Post. Als er die Zeitung erwarb, entliess er die Angestellten und stellte Menschen ein, die seine Meinung vertreten. Er ist ein rechter Zionist, ein eifriger Unterstützer der jüdischen Vormacht.

In den USA gibt es unzählige, aus denen ich gerne Mortimer Zuckerman herausgreifen möchte, ein Medienbaron und der momentane Vorsitzende der sogenannten Presidents’ Conference amerikanisch-jüdischer Organisationen, die leitende unter allen jüdischen Gruppen in Amerika. Er ist einer der reichsten Männer Amerikas, er machte sein Vermögen mit Immobilienspekulationen und besitzt das drittgrösste „ernstzunehmende“ amerikanische Wochenblatt, US News and World Report. Er besitzt auch die Boulevardzeitung The Daily News, die in New York und New Jersey verkauft wird. Seine Zeitungen befürworten im allgemeinen die unerbittliche Herrschaft der Marktwirtschaft. Mit einer Ausnahme: sie rufen auf zur grosszügigen jährlichen Subventionen an Israel durch die amerikanischen Steuerzahler. Zwei ehemalige israelische Premierminister, Netanyahu von der kriegslüsternen Likud Partei und Barak von der etwas gemässigteren Arbeiterpartei, unterstützten Zuckerman in seinem Streben nach dem Vorsitz der oben bereits erwähnten Conference of Presidents of Major Jewish Organizations. Diese Seite des Ku Klux Klan, dieser Verein aus zweiundfünfzig Vorsitzenden von amerikanisch-jüdischen Organisationen, ist der bigotteste Kreis von Männern der amerikanischen Politik. Haaretzberichtete neulich, dass Mortimer Zuckerman seine Schickse von Frau losgeworden ist, um den umkämpften Sitz zu erlangen. Solange er mit einer Nichtjüdin verheiratet blieb, würden seine Kollegen, jüdische Milliardäre, ihm nicht vertrauen. Und er ist einer der einflussreichsten Herausgeber der USA.

Auf der anderen Seite der Erde, in Russland, sind die Fernsehsender und Zeitungen auch in der Hand israelischer Staatsbürger. Einer von ihnen, Vladimir Gusinsky, musste sich von seinem Fernsehsender trennen. Doch seine extrem pro-israelischen Angestellten hatten schnell wieder einen Job bei einem anderen Sender, dessen Besitzer ein weiterer israelischer Bürger ist, nämlich Herr Chernoi. 1985 war er Buchhalter und musste mit 100 US Dollar im Monat auskommen. Heute ist er 5 Milliarden US Dollar schwer, besitzt praktisch alle Aluminiumfabriken in Russland und lebt in Israels Beverly Hills. Momentan wird gegen ihn ermittelt wegen vierundreissig Morden, Geldwäsche und Zugehörigkeit zur russischen Mafia. Neulich witzelte er, dass die „Medien kein Geschäft seien, sondern Politik und Einflussnahme“. Er benutzt sein Medienimperium dazu, jegliche Kritik an Israel in Russland im Keim zu ersticken.

Ich sprach vor kurzem mit einem jungen russischen Militärattaché in einer der westlichen Hauptstädte. Er sagte:

„Eure Situation in Israel ist unseren ähnlich, doch Tschetschenien liegt tausend Meilen entfernt während Euer Problem gleich nebenan liegt“.

Ich fragte ihn:

„Wollen Sie damit sagen, dass Tschetschenen kein Wahlrecht haben?“

Er war erstaunt. Er wusste nicht, dass die Palästinenser kein Wahlrecht haben. Die Medien der drei mächtigen Medienbarone Gusinsky, Chernoi und Berezovsky, alle drei israelische Staatsbürger, haben seine Ignoranz gut kultiviert.

Diese internationale Gruppe jüdischer Medienbarone von Washington bis Moskau unterwirft sich nicht völlig den Interessen Israels. Doch die Unterstützung Israels ist Teil ihrer Tagesordnung. Ganz oben auf der Liste stehen die Globalisierung und der Neoliberalismus – was sie „Freiheit der Marktkräfte“ nennen. Auf politischer Ebene neigen sie dazu, der Demokratie und der persönlichen Freiheit zu misstrauen und ständig noch mehr unternehmerische Freiheiten zu fordern.

Gegenseitige Unterstützung gehört auch zu ihren obersten Prioritäten. Als wegen Veruntreuung gegen Gusinsky ermittelt wurde, veröffentlichten die New York Times und dieWashington Post, das heisst die verstorbene Kathryn Graham und Herr Sultzberger, praktisch identische Leitartikel, in denen sie die „Unabhängige Russische Presse“ unterstützten. „Unabhängig“ scheint das Codewort für „in jüdischem Besitz“ zu sein.

Die sollte uns wirklich ernsthaft Sorge bereiten. Als ein ägyptischer Geschäftsmann Harrodsin London aufkaufte, löste dies eine Empörungswelle in den Zeitungen aus. Die Zeitungstitel schrien „unser nationales Erbe wird von Ausländern gestohlen“. In Israel darf kein Fremder eine Zeitung besitzen. Ein reicher russischer Jude, Gregory Lerner, versuchte einmal, eine Zeitung in Israel zu kaufen. Man schickte ihn für sechs Jahre ins Gefängnis wegen diverser Verbrechen in Verbindung mit der Mafia. Bevor er versuchte ins Mediengeschäft einzusteigen interessierte sich niemand für seine Gesetzesverstösse. Ein irakischer Jude übernahm eine Zeitung und fand sich selbst bald darauf im Gefängnis wieder, denn die Medien sind kein Geschäft, sondern das Nervensystem eines Landes.

Ich bin der Meinung, dass der Fall Palästinas viel wichtiger für Europa und Amerika ist, als jede andere Ungerechtigkeit. Denn er beweist, dass diese internationale Gruppe von jüdischen Medienbaronen ein wenig zu mächtig geworden ist. Meiner Erfahrung nach können jüdische Journalisten genauso objektiv sein wie alle anderen auch. Die beste Berichterstattung über Palästina wird sogar von jüdischen Journalisten gemacht, von Susanne Goldenberg vom Guardianbis Gideon Levy vom Haaretz. Doch es ist einfacher ein Kamel durch ein Nadelöhr zu quetschen, als einen objektiven Medienbaron zu finden. Man könnte dieses Problem lösen, wenn Zeitungen wie wertvolle Wasserquellen und andere wichtige öffentliche Versorgungseinrichtungen behandelt würden. Das heisst, ausser wir möchten all diese Zeitungen dem düsteren Reich der „ethnischen Presse“ überlassen und selbst eine von Grund auf neue freie Presse aufbauen.

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