Israel Shamir

The Fighting Optimist

DER KAMPF FÜR PALÄSTINA

(Battle for Palestine)

 

Die Hauptstrasse des palästinensischen Hochlands von Nablus nach Jerusalem führt durch denWadi Haramiyeh, ein enges Tal in den Bergen von Samaria. Von Zeit zu Zeit erweitern sich die mit Olivenbäumen bewachsenen Hänge und bieten Platz für ein Dorf, wie das kleine Dorf En Siny, eine saubere und charmante Anhäufung von geräumigen Häusern, oder das prächtige Dorf Sinjil, benannt nach Raymond de Saint-Gilles, dem Grafen von Toulouse, seinem Lehensherr und Kreuzritter. Hier schlägt das Herz Palästinas, wo jeder Stein Erinnerungen an alte Schlachten und Scharmützel birgt. Ich liebe dieses Gebiet: in Sinjil hielt man mich einmal für einen im Ausland geborenen Sohn einheimischer Dorfbewohner, die in den 40er Jahren nach Amerika ausgewandert waren. In En Sinya erzählte mir einmal ein Bauer von „seinem Freund Moshe Sharet“, einem palästinensischen Juden und iraelischen Staatsminister, der im Dorf aufgewachsen war, Jahre vor der zionistischen Segregation. Ich trank Wasser von der kleinen Quelle En al-Haramiye, die von einem zerbröckelnden ottomanischen Khan bewacht wird, der wiederum in der Nähe einer weiteren Ruine, der des Turms von König Baldwin liegt, und die über den südlichen Eingang ins Tal wacht. Das Relief macht diese Gegend zum idealen Punkt für räuberische Hinterhalte und genau das bedeutet der Name Wadi Haramiyeh, das Tal der Räuber.

Am 3. März schaffte es ein palästinensischer Rob Roy, bewaffnet mit einem alten Karabiner aus dem Zweiten Weltkrieg, eine ganze Truppe schwerbewaffneter Juden, Soldaten und Siedler, lahmzulegen. Er erschoss die Soldaten und die Offiziere einen nach dem anderen und kam unverletzt davon. Mit einem Schlag zerstörte er den aufgeblasenen Mythos der Überlegenheit der israelischen Armee . Nie wieder werden die Unterstützer Israels verächtlich schnauben,wenn es um arabischen Mut geht, nie wieder werden sie Geschichten über fallengelassene Schuhe in Sinai und den Sechs Tage Krieg erzählen. Er wiederholte die Leistung von Karameh und gab den Palästinensern ihre Ehre wieder zurück

Er schaffte auch eine gesunde Alternative zur morbiden Anziehungskraft der Selbstmordattentate und kam damit gerade rechtzeitig. Seit langem schon versuche ich meine palästinensischen Brüder und Schwestern dazu zu überreden mit diesem Wahnsinn aufzuhören, aber ich wollte auf keinen Fall als ideologisches Werkzeug der Zionisten gelten. Ich verstehe die Motivation der shaheeds (Märtyrer), ich begrüsse ihren Mut, doch ich bedauere zutiefst ihre Taten. Sie sind kontraproduktiv, ineffizient und kurzsichtig. Ich bin sicher[1], dass einige Selbstmordzellen durch und durch von israelischer Gegenspionage infiltriert sind: allzu oft explodieren ihre lebendigen Bomben am falschen Ort, zur falschen Zeit und richten sich gegen die falschen Ziele. Ihre Taten werden von der israelischen Propagandamaschine zu deren vollem Vorteil genutzt. Ihr Tod ist ein schrecklicher Verlust für die Menschheit. Sie opfern sich, wie der Sohn Abrahams sich geopfert hätte, doch der barmherzige Gott ersetzte sein Opfer durch das eines Schafbocks.

Der Scharfschütze eröffnete einen anderen Weg zum Ruhm, einen Weg, der nicht durch das Tal des Todes führt. Die vollständige Geschichte der Schlacht am Haramiyeh Pass sollte von Barden gesungen werden und von Guerillakämpfern auf der ganzen Welt gelehrt werden. Einer gegen zehn, der einsame Kämpfer traf das meistgehasste Symbol der jüdischen Macht in Palästina, einen Checkpoint, an dem gelangweilte, überfressene, sadistische israelische Soldaten täglich die Einheimischen erniedrigen, schlagen und oft sogar ermorden.

Nur einen Tag vor dieser Schlacht begingen die Soldaten ihre wahrscheinlich erschütterndste, feigste und grausamste Tat. Eine hochschwangere palästinensische Frau kam an den Checkpoint zusammen mit ihrem Mann. Die Soldaten liessen sie passieren und eröffneten dann das Feuer auf sie. Ihr Mann kam ums Leben, die schwangere Frau wurde verwundet und brachte ihr Kind im Krankenhaus auf die Welt. Die Soldaten erhielten keinen Verweis, doch die Armee drückte den Überlebenden „ihr Bedauern“ aus.

Die Hauptsorge der israelischen Armee ist es, die lokale Bevölkerung verletzlich und wehrlos zu halten. Die Soldaten der IDF sind es gewohnt unbewaffnete Zivilisten zu töten. Ihre bevorzugten Opfer sind Kinder; ihre Lieblingswaffe ist ein weitreichendes Hochgeschwindigkeits Scharfschützengewehr. Ihre Vorstellung von Unterhaltung wurde bezeugt von einem Experten „der dunklen Seite der IDF“, dem ehemaligen Chef des Büros der New York Times im Mittleren Osten, namens Chris Hedges: die Soldaten liessen Beschimpfungen auf die Kinder des Flüchtlingslagers herabregnen und als diese in die tödliche Falle tappten wurden sie von den Soldaten erschossen und verstümmelt[2].

Dennoch war die Schiesserei auf die schwangere Frau eine so schicksalshafte Tat wie das biblische Hinschlachten der Konkubine Levits. Der Gott Palästina hat die Misere Seiner Söhne bemerkt. Die üblen Taten der zionistischen Soldaten mussten bestraft werden. Der Fluch, der von Gott den unfolgsamen Kindern Israels angedroht wurde (Deut. 28), wurde Wirklichkeit. Was auch immer das Ergebnis der Nachforschungen der Militärkommission sein mag, dies ist die plausibelste Erklärung für dieses Ereignis. ER, der dem jungen Hirten David zum Sieg über Goliath verhalf, verhalf auch dem einsamen Kämpfer in Wadi Haramiyeh zum Sieg.

Der Überraschungsangriff auf den Checkpoint versetzte dem psychotischen israelischen Überlegenheitskomplex einen tödlichen Schlag. Feiglinge und Sadisten werden mit einer Niederlage nicht fertig: sie antworten darauf mit mörderischer Wut. Darum startete die Armee einen radikalen Angriff auf palästinensische Städte und Dörfer. Während ich dies hier schreibe beschiessen Soldaten Krankenwägen, die versuchen verwundete Zivilisten abzutransportieren. US Jets mit israelischen Piloten bombardieren eine Blindenschule in Gaza. Kerntruppen der Golandivision in Begleitung von Panzern stürmen die Flüchtlingslager von Tul Karem. Sie wollen das Massaker von Sabra und Schatila wiederholen, eine frühere „Heldentat“ von General Scharon. Als Handbuch dient ihnen die Denkschrift eines Kommandanten der Waffen-SS über die Dezimierung des Warschauer Ghettos. Sie finden die extrem niedrigen Verluste der Wehrmacht im Jahre 1943 verlockend und hoffen darauf, ihre Tat bei der Vernichtung der Palästinenser zu wiederholen[3].

Scharon hat Hitler übertroffen: der deutsche Diktator vermied es sorgfältig in der Öffentlichkeit zum Töten von Juden aufzurufen, während der jüdische Herrscher unverfroren im Fernsehen zur Hauptsendezeit zur Tötung der Goyim aufrief. Viele Deutsche waren von den Nazis angewidert, wechselten die Fronten und kämpften in den Armeen der Alliierten gegen das Dritte Reich, doch die Juden zögern immer noch das Band falscher Loyalität zu ihrem Dritten Malkuthzu zerreissen. Israelis, die ein Gewissen haben, weigern sich, direkt an der ethnischen Säuberung teilzunehmen. Dies ist ein guter Anfang, aber es ist nicht genug. Wir sollten dem Beispiel Ernst Thaelmanns und Joe Slovos folgen, die Fronten wechseln und uns den palästinensischen Kämpfern auf den Barrikaden von Gaza und Tul Karem anschliessen. In der britischen Tageszeitung The Guardian[4] nannte Jonathan Freedland die israelischen Widerständler “Helden”. Ich reserviere diesen Titel für den Schützen aus dem Räubertal.

 

[1] Siehe meinen Artikel Doubt and Certainty

[2] Veröffentlicht im Harpers Magazine, Oktober 2001,http://www.harpers.org/online/gaza_diary/?pg=1

[3] Haaretz 27. Januar 2002

[4] Guardian 6. März 2002

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