Israel Shamir

The Fighting Optimist

Die Dritte Kraft

Es ist an der Zeit aufzupassen und dem neuen aufsteigen Kulturhelden Arcadi Gaydamak, ein israelischer Ross Perot, Beachtung zu schenken. Er hat Mut, guten Willen und Mitleid. Wahre Kandidaten einer Dritten Kraft sind ziemlich unberechenbar, die Kandidaten des Mainstream jedoch sind eine sichere Sache – zu nichts nutze. Mit Gaydamak kann Jerusalem das Modell für Einen Staat werden: Viel hängt jedoch von den Palästinensern Jerusalems ab.

Die Israelis sagen, um Energiekosten einzusparen, machte die Regierung das Licht am Ende des Tunnels aus. Das Déjà-vu stieg auf die politische Bühne herab und ließ es so dunkel werden, dass eine Katze eine Taschenlampe braucht, damit sie um die Ecke findet. Die schon einmal zurückgewiesenen Ladenhüterpolitiker Barak und Netanyahu kriechen an die Macht zurück, während Ehud Olmert wartete, bis er an der Reihe ist abgelehnt und später wiederverwertet zu werden.

 

An diesem Tiefunkt saugt eine mächtige neue Persönlichkeit viel des abnehmenden Rampenlichts auf. Man kann keine israelische Zeitung aufschlagen, ohne seinen Namen zu lesen; sein Gesicht schaut einen von Plakaten auf den Straßen an; jede Unterhaltung, jede Parlamentsanhörung oder Fernsehdebatte bringt uns den Mann. Es ist Arcadi Gaydamak, der Mann, der Israel retten will.

 

Er ist ein israelischer Ross Perot. Eine Erinnerung für junge Leute: Ross Perot war der Sohn eines texanischen Baumwollpflückers, der es im Datenverarbeitungsgeschäft „schaffte“, Milliardär wurde und versuchte, die USA zu retten, indem er sich für die Präsidentschaft bewarb. Im Nachhinein ist es schade, dass er nicht gewann: Perot war ein amerikanischer Patriot mit einem milden, konservativ-isolationistischen Anstrich; er war für gute Erziehungsqualität, das Reparieren amerikanischer Städte, gegen das Militärabenteuer im Mittleren Osten und das Auslagern von Arbeitsplätzen. Die Demokraten und die Republikaner taten sich zusammen, um ihn zu beerdigen und marschierten in den Irak über seine [politische] Leiche ein.

 

Gaydamak klingt oft wie Perot, wenn er die israelischen Berufspolitiker wegen ihrer Korruption und ihrem mangelnden Interesse für die einfachen Leute angreift, und seine Botschaft wird gut aufgenommen – bei den Israelis genießen die Politiker gerechtfertigter Weise eine geringe Wertschätzung. Die Politiker zahlen es ihm mit ungeschminkter Feindseligkeit zurück: Er hat Erfolg dabei, die israelische Rechte und Linke zusammenzuführen, genau wie das der Libanon-Krieg tat. Die Fachgelehrten, die Meister des israelischen Diskurses, hassen ihn sogar noch mehr, denn er ist nicht ihr Geschöpf. Die Journalisten und Reporter sind ausnahmslos feindselig und ihm gegenüber äußerst grob und lassen nie eine Anklage oder Anspielung aus. Aber er ist bei den hoi polloi[1] extrem beliebt, bei den vorzionistischen Alten Jischuw[2], d.h. bei den sephardischen Juden und den armen jüdisch-orthodoxen Familien von Jerusalem, bei Immigrantengemeinden, die nicht der Elite angehören – Marokkanern und Russen und bei den Palästinensern aus Galiläa. Sie mögen ihn wegen seines Elans, seiner Großzügigkeit und seinem Mitleid, für seine gradlinige Rede, aber vor allem, weil er Sponsor von Fußballmannschaften ist, der sephardischen Jerusalemer Beitar und der arabischen Sakhnin aus Galiläa.

 

Seine neue Partei namens „Soziale Gerechtigkeit“ ist eine neue und potentiell mächtige Dritte Kraft in der israelischen politischen Landschaft. Die israelischen Wähler sind gewöhnlich unzufrieden mit den existierenden Parteien (sind wir das nicht alle?), aber (im Gegensatz zu den USA und Großbritannien) lässt es das israelische Wahlsystem zu, dass dieser Unzufriedenheit in der Wahlkabine Ausdruck verliehen wird. Und so unterbrach eine dritte Partei 1977 die lange Herrschaft der Arbeiterpartei, und erst kürzlich konnte eine Ruheständler-Partei beachtlich an Boden gewinnen. Sogar die regierende Kadima-Partei ist eine „dritte Kraft“, die zwischen der Arbeiter- und der Likudpartei steht. Daher ist es durchaus möglich, dass Herr Gaydamak eine prominenten Stelle an der Spitze einnehmen wird, entweder in der Regierung oder – wie er sagt – am Steuer von Jerusalem, wo er äußerst populär ist. Jerusalem könnte für ihn die Startposition zum Premierministeramt werden – Ehud Olmert war auch als erstes Bürgermeister von Jerusalem. Es ist jetzt der richtige Zeitpunkt, aufzupassen und dem aufstrebenden Herrn Gaydamak Beachtung zu schenken, denn er ist der Mann, der aus der gegenwärtigen Sackgasse ausbrechen könnte. Er hat Mut, und er hat guten Willen und Mitleid, erneut ähnlich wie Perot. Wahre Kandidaten der Dritten Kraft sind ziemlich unberechenbar, die Mainstream-Kandidaten jedoch sind eine sichere Sache – zu nichts nutze!

 

Die konkurrierenden Parteien der Linken und Rechten arbeiten hart daran, seine Legitimität zu untergraben: Er ist jedoch kein Mann, den man leicht kontrollieren kann; er ist ein unabhängiger Geist, und man kann ihn nicht kaufen. Die Rechte sagt, er sei ein Araber-Liebhaber (eine Anklage ähnlich der des „Niggerliebhaber“ des tiefen amerkanischen Südens) oder ein von Putin gesandter russischer Spion, die Linke … Nun, die Linke ist eine aristokratische elitäre Körperschaft wie die „Töchter der Amerikanischen Revolution“, und sie sind stets bereit, jeden niederzustechen, der nicht mit der Zionistischen Mayflower gesegelt kam. Der linke Politiker Oberst Ran Cohen legte ein Gesetz gegen Gaydamak vor, das nur knapp davor Halt machte, ihn persönlich zu verbannen: Cohen wandte sich dagegen, dass ein Mann sein Geld direkt einsetze, anstatt es über einen folgsamen Politiker zu tun. Gaydmak schlug zurück: Er klagte Olmert an, den Libanon-Krieg begonnen zu haben, um seine sinkende Popularität zu verbessern. Obwohl man drüber inCounterpunch lesen kann, hört man in Israel selten, dass solche Ansichten geäußert werden.

 

Die Herkunft des Mannes liefert einen Schlüssel sowohl für die Feindschaft der Elite als auch für seine Massenpopularität. Gaydamak kam 1972 als mittelloser russischer Immigrant nach Israel, der nur auf niedrige Zeitjobs hoffen konnte. Das stagnierende und restriktive Israel war nicht der Platz für einen Mann in den Startlöchern, und der dynamische Zwanzigjährige zog weiter nach Frankreich. Nach vielen Abenteuern, die mit einem Band der Légion d’honneur als Beweis gekrönt wurden, hatte er es geschafft und wurde Milliardär, kehrte eine Zeit lang in seine Geburtsstadt Moskau zurück und kam vor zwei Jahren wieder nach Israel.

 

Er nahm Israel im Sturm. Zuerst sahen wir ihn als einen einheimischen Jungen an, der anderswo sein Glück gemacht hatte und nun zurückkam, um anzugeben. So eine Art israelischer Großer Gatsby. Wunderbar angezogen, rank, schnell wie ein Tennisspieler, richtete er sich in Caesarea ein, in einer Strandvillengemeinde von wohlhabenden Aristokraten auf halber Strecke zwischen Tel Aviv und Haifa, gab eine Menge luxuriöse Empfänge und unterstützte großzügig löbliche Angelegenheiten.

 

Aber Israel sind nicht die USA der Tage von Scott Fitzgerald; unter seiner leichtlebigen demokratischen Lebensweise liegt eine autoritäre Hackordnung einer primitiveren Stammesgesellschaft. Sie sind niemand, wenn Sie nicht eine Menge Araberskalps unter ihrem Gürtel haben: Sie sind niemand, wenn Ihr Vater nicht in der Palmach oder Irgun gedient hat, den zionistischen Guerilla-Banden vor 1948. Ein untadeliger wohlhabender Gentleman mit einem Schuss Philantropie würde im modernen England zum Ritter geschlagen werden; Gaydamak wurde von der israelischen Oberschicht so gründlich abgelehnt, wie ein amerikanischer Emporkömmling in Henry James’ Romanen. Schließlich gelang ihm doch der Zutritt, aber seine traumatische Erfahrung wird vermutlich seine nächsten Schritte beeinflusst haben:

 

Gaydamak folgte nicht dem Pfad anderer wohlhabender Juden, die Israel oft besuchen oder sich sogar dort niederlassen – sein bequemes Leben am Mittelmeer stellte ihn nicht zufrieden, mit Leuten in Begleitung des Premierministers zusammenzukommen, der Besuch von Siedlungen und Militärstützpunkten, das Durchtrennen von Bändern und das Benennen von Gebäuden nach sich selbst, obwohl er das alles tat. Ihm fiel die Krankheit der israelischen Gesellschaft auf, und er fing an, seine Meinung darüber zu sagen und zu handeln, aber in ziemlich ungewöhnlicher Weise.

 

Während in Israel öffentliche Figuren und Geschäftsleute auf Besuchsreise normalerweise in wilder chauvinistischer Rhetorik wetteifern, schlug Gaydamak einen völlig anderen Ton an: Er rief zu Gleichheit und Wohlstand für alle Bürger auf, Juden wie Araber. Er sagte, die Lösung liege darin, Wohlstand sowohl für die Israelis als auch für die Palästinenser zu erreichen. Gleichzeitig betrachtet er sich als gläubigen und frommen Juden und bezieht sich oft auf die jüdische Ethik. Augenscheinlich hat Gaydamak eine ungewöhnliche aber doch mögliche Lesart der jüdischen Tradition. In einem Interview für die Zeitschrift Time sagte er:

 

„Ich glaube ganz stark an die Möglichkeit des Friedens. Einige Menschen haben meine Bezugnahme auf die jüdische Tradition als eine nationalistische Parole missverstanden, als einen Wunsch, Araber auszugrenzen und an den Rand zu drängen. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Ich glaube an den Humanismus der jüdischen Tradition. Es ist für Juden unmöglich, glücklich und zufrieden zu sein, solange ihre Nachbarn leiden. Wir sollten die arabische Bevölkerung nicht unter den Einfluss von Extremisten drängen. Meiner Meinung nach ist es der palästinensische Lebensstandard, der angehoben werden sollte. Das muss nicht auf Kosten des israelischen Steuerzahlers gehen: Die Palästinenser können alleine klarkommen, wenn wir ihre Entwicklung nicht behindern.“

 

Für diese Worte wurde er von den nationalistischen Medien angeklagt, weil er zugegeben hatte, dass Israel die Entwicklung palästinensischer Gebiete blockiert. Obwohl die israelische Armee alle Aktivitäten in den besetzten Gebieten mittels Straßenblockaden und anderen Blockaden stranguliert, wird dies üblicherweise von israelischen Behördenvertretern abgestritten.

 

Noch ungewöhnlicher ist sein Mitleid mit den einfachen Israelis. Letzten Sommer während des Libanon-Krieges, als die israelische Rechte und Linke darüber sprachen, den Nachbarn im Norden zu verprügeln, half Gaydamak den Bedürftigen: Er organisierte und bezahlte ein Sommerlager für Tausende von Bewohnern von Galiläa, die es vorzogen, sich von dem tödlichen Raketenregen fernzuhalten. Da wurde er von den Medien des antizionistischen Verhaltens bezichtigt: Ein guter Zionist, so meinten sie, sollte lieber sterben als sich zurückziehen. Aber die einfachen Leute aus Galiläa waren dankbar, denn sie hatten keine Absicht zu sterben, um zu zeigen, dass sie Prinzipien haben.

 

Bei der Konfrontation mit Hamas schlug er auch einen ungewöhnlichen Weg ein. Während israelische Politiker die Zerstörung Gazas forderten, nahm sich Gaydamak der armen Bewohner von Sderot an, einer kleinen Grenzstadt, die von der Hamas bombardiert wurde. Er sandte Betreuer und verschickte die Einwohner zur Erholung in den luxuriösen Badeort Eilat. Damit zog er sich die Wut Olmerts zu: Olmert und die Regierung ziehen lieber politische Vorteile aus dem Leiden der einfachen Israelis. Man beschuldigte Gaydamak, seine guten Werke nur deswegen zu tun, um sich beim Volk einzuschmeicheln, aber das Volk war glücklich, dass jemand sich um es kümmerte.

 

Das israelische Establishment fürchtet ihn, weil er versucht, die israelischen Politik über den Haufen zu werfen. Immer wenn ein Außenseiter zu sichtbar wird, schicken die Bosse in solchen Fällen nach der Polizei. Dies war der Fall bei dem prominenten sephardischen Führer Arye Deri: Die Polizei verfolgte ihn zehn Jahre lang bis sie Erfolg dabei hatte, einen Fall gegen ihn zusammenzuflicken und ihn ins Gefängnis steckten. Weitere sephardische Führer: General Mordechai (der dem Pemierministersessel gefährlich nahe kam) und Ex-Präsident Katzav wurden ebenfalls mit fairen und unfairen Mitteln in Ungnade abserviert. Es ist ein Fehler zu glauben, dass das Rechtssystem Arabern gegenüber unehrlich aber ehrlich bei Israelis sein könne: Wenn so etwas einmal eingerissen ist, bleibt das System unehrlich. Die Richter, die jüdische Mörder von Arabern rechtfertigen, sind ohne weiteres dazu in der Lage, einen Juden ins Gefängnis zu bringen, der als gefährlich für das Regime angesehen wird. Unterdessen greifen die Anschuldigungen gegen Gaydamak nicht, aber das System lenkt nicht ein.

 

Es läuft eine Medienkampagne äußerst primitiver Art gegen ihn. Wenn er Russe ist, sagt man, so muss er ein KGB-Agent sein. Wenn er reich ist, so muss er ein Gauner sein. Wenn er sich in Israel aufhält, dann deswegen, weil er hier Zuflucht suchen muss. Aber er ist nicht empfindlich, dieser Mr. Gaydamak. Ich hatte das wirkliche Vergnügen, ihn vor einiger Zeit im Fernsehen zu sehen. Er war zu einer Show eingeladen, so wie ein Stier zum Stierkampf eingeladen wird; aber es waren die Matadoren, die auf Liegen aus der Arena getragen wurden. Seit Galloways „Fighting of a hostile Reporter“ von SkyNews bin ich nicht mehr Zeuge solch einer Fähigkeit geworden, einem Angriff während einer Sendung standzuhalten. Der Mann auf der anderen Seite war der berüchtigte Matti Golan, Ex-Herausgeber von Haaretz, der einmal sagte, er hasse alle Deutschen. Es stellte sich heraus, dass er auch alle Russen hasst. Er beklagte sich darüber, dass überhaupt jemand Gaydamak Beachtung schenke, da er doch nicht zum Salz der Erde gehöre (das ist die Bezeichnung für wahre echt-blaublütige Israelis).

 

Dieser Medienangriff war ziemlich kontraproduktiv, denn er machte Gaydamak zum Underdog und erbrachte ihm viel Sympathie. „Er ist ein Krimineller“, fragte ein Reporter in das Publikum hinein und bekam als Antwort „Das glauben wir nicht“. In der Tat gibt es viele Anschuldigungen gegen Gaydamak. Keine ist jedoch bestätigt worden. Für uns ist keine relevant. Man beschuldigt ihn, die legitime Regierung Angolas bei ihrem Kampf gegen den CIA-Mann Savimbi und seine von Südafrika bewaffnete Unita mit Waffen ausgerüstet zu haben. Gaydamak streitet das ab; aber selbst wenn es wahr wäre, so zählte es nach meinem Dafürhalten zu den guten Taten. Savimbi war ein schreckliches Viech, der immer Friedensvereinbarungen brach und Angola ausblutete. Man beschuldigt Gaydamak, aus politischen Absichten wohltätig zu sein; das kann jedoch über jeden Philantropen gesagt werden. Man beschuldigt ihn, sein Geld der grabschenden Hand der israelischen Justiz vorzuenthalten, aber das ist einfach Klugheit.

 

Unterdessen fährt er fort, seine Wohltätigkeit auszuweiten. Er errichtete ein Krankenhaus für die armen religiösen Juden. Sein politisches Kapital wächst. Jetzt kam er in einer Werbung einer Mobiltelefongesellschaft groß heraus, in der er als sozialistischer russischer Zionist auftrat, der vor hundert Jahren die Kibbuz-Bewegung gründete. In dem Clip legt er seine elegante Kleidung ab und schließt sich den arbeitenden Massen an. Mit diesem Clip stieg in den Status eines Kulturhelden auf. „Das ist würdelos! Netanyahu würde das nie tun!“ – betonten die Medien. „Ich bin der Mann von der Straße“, gab er zurück.

 

Gaydamak ist wahrscheinlich heute die populärste israelische Persönlichkeit mit humanen Ansichten. Er spricht davon, die Koalition der Machtlosen an die Macht zu bringen: Sepharden, Russen, Palästinenser, Arbeiter, religiöse Juden, die Ganze hoi polloi. Niemand hatte bisher Erfolg darin, ihm eine Anklage gegen die Araber abzuringen oder eine Unterstützung für einen Angriff auf die Palästinenser, obwohl das als de rigeur[3] in der höflichen Gesellschaft Israels angesehen wird. Er ist das genaue Gegenteil von Liebermann, ein anderer russischer Politiker, der sich seinen Namen durch extreme nationalistische Parolen machte. Er ist ein schwarzes Schaf in der Gesellschaft russisch-jüdischer Oligarchen, da er einen festen Standort in Moskau behält und Putin nicht bekämpft, wie Newzlin und Beresowsky es tun. Und er will Israel retten, wie er es in Fernsehinterviews sagte. Weiß Gott, Israel bracht jemanden, der es vor seiner eigenen Misere rettet.

 

Ein ungewöhnlicher Retter, ein Führer der Besitzlosen in einem weißen Cadillac? Wenn man reiflich darüber nachdenkt, so würde ein armer Mann gar nicht erst in der Lage sein, sich Gehör zu verschaffen. Es ist leichter für ein Kamel sich durch ein Nadelöhr zu quetschen, aber wer braucht ein zerquetschtes Kamel? Es ist für einen reichen Mann schwerer aber immer noch möglich. Wohlhabenheit ist nach meinem Dafürhalten kein größerer und unverzeihlicher Fehler.

 

Gaydamaks Entscheidung, sich als Bürgermeisterkandidat in Jerusalem aufstellen zu lassen, gibt uns die Chance, das Einstaatenmodell in einer Stadt auszuprobieren. Unsere guten Freunde Noam Chomsky und Michael Neumann treten für die Zweistaatenidee ein, während unsere Freunde auf unserer Seite, Virginia Tilley, Roger Tucker und andere, für einen Staat eintreten – aber wahrscheinlich versteht niemand, dass dies nicht eine theoretische Frage ist. Die Bevölkerung Jerusalem besteht aus etwas 30 bis 40 Prozent Palästinensern, die das Recht haben, in den Stadtwahlen mit abzustimmen. Sie sind berechtigt dazu, aber sie wählen nicht: Man sagte ihnen, dass es zwei Staaten geben und dass Ostjerusalem ein Teil Palästinas sein werde. So warteten sie 40 Jahre lang, und in der Zwischenzeit wurde Jerusalem immer weniger gastfreundlich mit ihnen. Das Bürgermeisteramt führt gegen die Palästinenser Jerusalems endlose Kriege. Sie haben aber ein Verteidigungsmittel: bei den Gemeindewahlen abzustimmen; sie machen jedoch keinen Gebrauch davon, zur großen Erleichterung der jüdischen Extremisten.

 

Vor einigen Jahren sprach ich während der letzten Wahlen mit vielen prominenten Jerusalemern über eine Teilnahme; aber niemand wagte, das eingefahrene Gleis zu verlassen. Sie glaubten nicht daran, dass sie in der Lage sein würden, die Art und Weise der Dinge zu ändern und hofften immer noch, dass sie die PNA[4] in die Freiheit führen werde. Da Mahmoud Abbas sein Kleid gewendet und die PNA in einen Zweig des israelischen Geheimdienstes verwandelt hat, werden sie vielleicht ihren Irrtum einsehen und en masse wählen gehen. Sie können ein Drittel des Stadtrates stellen, während ein weiteres Drittel aus armen sephardischen und religiösen Juden gebildet werden wird.

 

Mit Gaydamak haben die Palästinenser die Chance, einen kosmischen Wechsel zu bewirken und die Stadt zu gewinnen – nicht für sich alleine, sondern auch für sich. Gaydamak ist kein Revolutionär, er ist nicht einmal ein Radikaler, aber dieser eher konservative Mann hat eine positive Idee von Gleichheit und Fairplay, hat Geschäftstalent und ungewöhnliche organisatorische Fähigkeiten. Da er in der Sowjetunion aufgewachsen ist, hat er keine rassistischen oder religiösen Vorurteile. Mit ihm zusammen können die Palästinenser den gutwilligen Jeff Halter in Pension schicken und sein Komitee gegen den Abriss von Häusern überflüssig machen. Ohne Gaydamak sind sie dazu verurteilt zu leiden. Wahrscheinlich bietet dieser Mann uns die beste Chance für einen Wandel, für ein gutes Leben in Einer Stadt, und diese Chance könnte zu Einem Staat führen. Lasst sie uns nicht vertun!

 

 

[1] hoi polloi=von griech. „die vielen”

[2] Alte Jischuw bezieht sich auf die jüdische Bevölkerung Palästinas vor der Staatsgründung Israels

[3] hier: nötig gemäß dem Protokoll, der Mode, der Etikette

[4] Palestinian National Authority

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